Von der Lust vorzulesen

Im Januar 2015 habe ich mich als Vorlesepatin beim LeseLust Leipzig e. V. angemeldet. Über diesen Verein werden Menschen, die Kindern gern Bücher vorlesen, und Institutionen wie Kindergärten und Schulen zusammengebracht. Aber wie steht es eigentlich um die Lust der Kinder heutzutage, im Zeitalter der modernen Medien, in der Ära der Smartphones, Tablets und E-Books, noch ein echtes Buch aus Papier, aus feinem, hochwertigen Papier mit bunten Bildern in die Hand zu nehmen?

Das Buch von Erik Orsenna „Auf der Spur des Papiers. Eine Liebeserklärung“ führt einem vor Augen, was viele von uns längst wissen: Das Papier, vor allem hochwertiges Papier, hat bald ausgedient. Doch wenn man den Autor auf seiner Reise nach Indien, Japan und Kanada begleitet, tiefe Einblicke in die Geschichte und Herstellung dieses einzigartigen Materials erhält, dann wird die Magie des Papiers erneut zum Leben erweckt. Handgeschöpftes Papier aus dem kleinen Echizen in Japan: Seit vielen Jahrhunderten stellen die Familien des Dorfes Papier her. Heute sind es noch vierzig Familien an der Zahl.  Einer dieser Papierschöpfer beschreibt die Leidenschaft zum Papier folgendermaßen: „Echizen hat Glück gehabt. Wir hatten Wasser, Brunnen und Flüsse, die vom Gebirge herunterkommen. Unsere Vorfahren hatten Gefallen an der Arbeit und der Ausdauer. Vor ihrer Tür fanden sie die drei Straucharten, die am geeignetsten sind. Der hübscheste Strauch ist der Kozo [ein Maulbeerbaum]. Seine Faser ist die längste. Der zweite heißt Mitsumata. Dieselbe Pflanzenart, nur etwas höher aufgeschossen. Der dritte, der Gampi, ergibt einen unnachahmlichen Glanz und erlaubt auch, Bogen von einer außergewöhnlichen Feinheit herzustellen.“

Dieses Gefühl, über die Seiten eines neuen Buches zu streichen, die Farben zu riechen, die Oberfläche unter den Fingerspitzen zu spüren, das gehört nicht nur zum Erfahrungshorizont von Erwachsenen, sondern besonders zu dem der Kinder. Sie entdecken ihre Welt zuallererst durchs Anfassen, Schmecken, Riechen… Erst viel später erkennen sie Gegenstände mit dem bloßen Auge. Wie können wir ihnen die Welt der Sprache, der Kommunikation, der Worte und Buchstaben näher bringen, sie dafür begeistern? Und welche Beziehung entsteht, wenn wir uns die Zeit nehmen, als Eltern, Großeltern, Geschwister oder als Vorlesepaten uns mit den Kindern hinzusetzen und zusammen ein Buch zu lesen?

Ein Gedanke zu „Von der Lust vorzulesen

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