Kinderbuchillustratorin Gerda Raidt über die wundervollen und die herausfordernden Seiten ihres Berufs

Gerda Raidt lebt und arbeitet als freiberufliche Illustratorin in der wunderschönen Buchstadt Leipzig. Sie begeistert sich insbesondere für historische Themen. In ihrem letzten Projekt illustrierte sie die Neuauflage der Enyd Blyton-Reihe Die fünf Freunde. Sie erzählte mir im Interview, was sie an ihrem Beruf so fasziniert, wie er sich verändert hat und wo nicht nur für sie, sondern auch für angehende Illustratoren die Herausforderungen liegen.

1. Wie bist du zum Illustrieren gekommen?
Nach dem Abi wollte ich etwas Kreatives machen. Zuerst habe ich ein Praktikum bei einer Restauratorin gemacht. Für mich aber nicht das richtige, weil mir der Kreativ-Anteil da zu gering war. Dann habe ich an der Burg Giebichenstein begonnen, Freie Kunst zu studieren, was mir aber zu unkonkret war. Ich konnte mir nicht vorstellen, jeden Tag völlig frei und ungebeten aus mir selbst heraus zu schöpfen und Dinge in die Welt zu setzen, ohne dass mich darum jemand gebeten hätte. Diese Vorstellung hat für mich etwas Beängstigendes. Am besten bin ich mit einer ganz klaren Aufgabenstellung zurechtgekommen, an der ich mich abarbeiten konnte. So bin ich dann auf Illustration gekommen und zum Hauptstudium in die Fachklasse für Illustration in Leipzig gewechselt.

2. Was motiviert und fasziniert dich an deiner täglichen Arbeit?
Ich finde es gut, dass bei meiner Arbeit am Ende ein konkreter, greifbarer Gegenstand herauskommt. Die Verantwortung für die Bildwelten in dem Illustrierten Buch liegt bei mir! Da bin ich wie ein Regisseur, setze aber all meine Ideen selber um. Ein Regisseur, Bühnenbildner, Kostümbildner etc. alles in einem, ohne Teamwork.

3. Wo findest du Inspiration für die Bilder, über den Text des Autors hinaus?
Wenn man so einen visuellen Beruf hat, hält man im Alltag die Augen offen und nimmt auf der Bildebene viel wahr. Wenn ich ganz konkret zu einem bestimmten Thema recherchiere, gehe ich gerne in die Bibliothek. Und wenn ich ganz schnell wissen muss, wie beispielsweise ein Butterfass aussieht, schaue ich im Internet nach.

4. Welche Vorbilder hast du im Zeichnen?
Ich bin mit den DDR-Kinderbüchern der 70er Jahre aufgewachsen. Viele davon schätze ich immer noch sehr. Später habe ich anderes für mich dazu entdeckt. Viele Klassiker des Gebrauchskinderbuchs, würde ich sagen.
Ich mag das Unaufgeregte, Angewandte. Bilder, die einfach gut gemacht sind, Spaß machen, sich gut zum Text ordnen, die erzählen, aber nicht unbedingt beeindrucken wollen.
Auf den Buchmessen entdecke ich ab und zu auch neue Favoriten.

5. Wie entsteht aus einer Idee für eine Illustration das fertige Buch?
Über den Zwischenschritt Skizzen, mit denen man viel herum schieben und probieren kann. So kann man sich auch mit dem Verlag verständigen. Der will ja auch wissen, was für ein Buch am Ende ungefähr dabei heraus kommt.

6. Inwieweit hat sich der Beruf des Illustrators durch die zunehmende Digitalisierung in den letzten Jahren gewandelt?
Viele Illustratoren der mittleren und jüngeren Generation digitalisieren Ihre Arbeiten selber oder arbeiten teilweise digital. Der Verlag bekommt die fertigen Druckdaten der Bilder. Dadurch fällt ein Zwischenschritt weg, der vorher ein eigener Beruf war. Die Kompetenzen dafür muss dann der Illustrator haben. Für mich ist das einerseits schön, ich kriege am Rechner schon eine ziemlich gute Vorstellung von dem fertigen Buch und kann super herumexperimentieren. Andererseits nervt es manchmal. Ich habe wirklich keine Freude daran, mich ständig mit technischen Dingen wie neuen, erweiterten Programmversionen auseinanderzusetzen und krieg schon die Krise, wenn ich laufend dazu aufgefordert werde, meine Software upzudaten. Das schluckt dann schnell Teile der Freizeit und nervt einfach nur.

7. Für welche Altersgruppe illustrierst du am liebsten und warum?
Das ergibt sich meistens aus den Aufträgen, die an einen heran getragen werden. Mir werden oft Kinder im Erstlesealter und etwas höher, also Grundschulalter zugeordnet. Für diese Altersgruppe arbeite ich sehr gerne.

buecher_gerda_raidt
Auswahl von Werken, die Gerda Raidt illustriert hat

8. Welche Figur(en) zeichnest du besonders gern?
Die, die ich schon oft gezeichnet habe.

9. Welche Themen sprechen dich in Kinderbüchern am meisten an und warum?
Im Laufe der Zeit hat sich bei meiner Arbeit ein bestimmtes Profil herauskristallisiert, das ich vielleicht mit „historische Themen“ zusammenfassen würde. Das ergibt sich aus meinen persönlichen Interessen, das mache ich wirklich gerne!

10. 2013 kam deine Graphic Novel „Böse Geister“ auf den Markt. Wie bist du auf die Idee für dieses Buch bzw. dieses Genre gekommen?
Durch eine Anfrage. Ein Agent ist aufgrund eines Tipps einer netten Kollegin mit dem Szenario an mich heran getreten. In dem Comic ging es um ein Thema mit historischen Bezügen.

11. Wie lange hat dieses Projekt gedauert?
Es hat mich über vier Jahre hinweg begleitet und mir teilweise ganz schön quer im Magen gelegen. Ich wollte es nicht abbrechen, aber durch die langwierige Arbeit mit den vielen Unterbrechungen durch andere Aufträge hat es mich teilweise völlig blockiert. Ich fand das zum Teil quälend.

12. Würdest du es wieder tun?
Meine familiäre Situation erlaubt es nicht. Ich bin darauf angewiesen, mit meiner Arbeit mein Einkommen zu bestreiten. Ich habe zwei Kinder, die Kleider, Essen, Zimmer und auch meine Zeit benötigen, sie haben Ferien und wollen in den Zoo. Ab und an will man verreisen. Es hat sich gezeigt, dass sich das schlecht mit so einem aufwendigen Großprojekt im absoluten Low-Budget-Bereich verträgt. Ich hatte das Gefühl, dass ich schon durch meine Lebensumstände gar nicht tief genug in die Materie eindringen konnte.

13. Worin siehst du die Schwierigkeiten deines Berufs?
Wenig Geld, Unsicherheit und drohende Altersarmmut.

14. Welche Pläne hast du für die Zukunft?
Die positiven Seiten des Berufs besser zu nutzen. Mehr eigene Projekte anstoßen, selber Bücher konzipieren und später einfach ab und zu mal ein paar Monate sonstwo leben und von dort aus arbeiten.

15. Was möchtest du Menschen mit auf den Weg geben, die eine Karriere als Kinderbuchillustrator/in anstreben?
Ich würde für mich sagen, dass ich zu viel auf die Ausbildung an der Kunsthochschule vertraut habe. Eigentlich hätten mir zwei Jahre dort absolut genügt. Man bekommt da Anstöße und wird im Sehen geschult. Arbeiten muss man aber letztlich selber.
Im Grunde muss man sich einfach sagen: jetzt BIN ich Kinderbuchillustrator/in. Dann setzt man sich an seinen Schreibtisch und arbeitet. Jeden Tag, viele Stunden, soviel Zeit, wie man für jeden anderen Beruf auch aufbringen würde. So alleine mit sich, lernt man dann schnell, wo man an seine Grenzen stößt und kann sie versuchen zu erweitern. Man sucht sich Inspirationsquellen und findet ganz individuell Vorbilder, die genau dieses und jenes Problem, auf das man immer stößt, meisterhaft gelöst haben.
Ich fand Routine immer sehr hilfreich. Wenn man sich jeden Tag um die gleiche Zeit an den Schreibtisch setzt, muss man sich nicht mehr überwinden, es ist einfach normal. Es hilft einem auch für das Selbstverständnis, dass man nun diesen Beruf hat. Auch die Leute im Umfeld gewöhnen sich an die Zeiten und stören dann nicht mehr.
Auf diese Weise hat man irgendwann Ergebnisse, die man dann auch zeigen sollte.
Buchmessen sind gut, man kann Termine bei den Verlagen absprechen.
Wichtig ist, dass man sich selbst in dem Beruf absolut ernst nimmt und sich nicht beirren lässt. Manchmal braucht man schon einen ganz schön langen Atem, aber wer mit einer gewissen Hartnäckigkeit sein Ziel verfolgt, wird sich erfahrungsgemäß irgendwann durchsetzen.

Vielen Dank für das Interview, Gerda.

Weitere Informationen zu Gerda Raidt und ihren Arbeiten findet ihr auf ihrer Website.

 

Kommentar verfassen