Unter Empathie versteht man die Fähigkeit, sich in die Gedanken, Gefühle und Motive des Gegenübers hinein zu fühlen und sie zu verstehen, aus dessen Perspektive. Wenn ein Mensch Schmerz oder Trauer empfindet, reagieren wir mit Empathie und zeigen Verständnis für die Gefühle des Anderen. Der Impuls, einem Menschen in Not zu helfen – und sei es eine ältere Dame, die Hilfe beim Tragen ihrer Taschen braucht, basiert auf Empathie.
Sind Menschen dazu geboren, empathisch zu sein?
Verantwortlich für Empathie sind die sogenannten Spiegelneuronen. Diese wurden 1996 von den Biologen Vittorio Gallese und Giacomo Rizzolatti der Universität in Parma entdeckt. Die Spiegelneuronen werden aktiv, wenn sich etwas vor unseren Augen abspielt und wir das Verhalten des Anderen spiegeln. Es handelt sich also um eine an sich angeborene Fähigkeit. Babys betrachten aufmerksam die Gesichter, die sie sehen, und sind in der Lage, selbst kleinste Veränderungen wahrzunehmen. Schon wenige Tage nach der Geburt können sie das Verhalten ihrer Eltern in ersten Aktionen spiegeln. Wenig später empfinden sie Empathie, wenn sie andere Babys schreien hören. Sie fühlen den Schmerz, den Mangel (z. B. Hunger), die Angst oder die Wut des Anderen und versetzen sich in seine Lage. Sie spiegeln dessen Emotionen wider.
Das funktioniert sowohl für positive als auch für negative Empfindungen. Mit etwa drei bis vier Jahren hat ein Kind eine eigene Sichtweise auf die Welt entwickelt. Ab diesem Zeitpunkt äußert sich Empathie dadurch, dass es beispielsweise ein anderes tröstet, weil es dessen Trauer oder Schmerz spiegelt. Um diese Fähigkeit weiter auszubauen, ist der Kontakt mit Gleichaltrigen unabdingbar. So lernen die Kinder einerseits verschiedene Ausdrucksformen verbaler und non-verbaler Art, andererseits die Regulierung ihrer Emotionen.
Wie können Kinder Empathie erlernen?
Auch wenn den Kindern die grundlegende Fähigkeit zur Empathie angeboren ist, muss sie sich über Jahre entwickeln. Eltern können entscheidend dazu beitragen. In allererster Linie sind sie selbst die besten Vorbilder. Kinder beobachten, wie Mama mit der Schwester umgeht, wenn diese traurig ist und weint. Oder wie Papa dem kleinen Bruder begegnet, der hingefallen und sich das Knie aufgeschlagen hat. Entdeckt das Kind, dass die Eltern die Gefühle ihrer Kinder ernst nehmen und das Kind beispielsweise trösten, so stärkt dies seine eigene Fähigkeit zur Empathie.
Zudem fördert das Vorlesen die sozialen Fähigkeiten in hohem Maße. Mehrere Studien haben gezeigt, dass die Kinder durch Geschichten emotional lernen. Sie begegnen Figuren und ihrem Handeln in verschiedenen Situationen. Wenn der Lieblingsheld einen Verlust erlebt, empfindet das Kind Traurigkeit. Wenn der schlaue Detektiv der Lösung des Rätsels auf der Spur ist, fiebert das Kind voller Spannung mit. Wenn Geister, Hexen und schreckliche Ungeheuer ihr Unwesen treiben, gruseln sich Kinder fast automatisch. Diese Erlebniswelt hilft ihnen. In der Familie, im Kindergarten, in der Schule.
Nehmen Sie sich also ein tolles Buch, ein wenig Zeit und genießen Sie mit Ihren Kindern die gemeinsame Entdeckungsreise.