Schulanfang in Deutschland und Frankreich

In den heimischen Schreibwarenläden, Kaufhäusern und Supermärkten stehen die Zeichen schon seit einigen Wochen auf Schulanfang. Es ist wieder soweit. Die 6- und 7-jährigen kommen in die erste Klasse. Ein großer Tag! Von Mama, Papa, Oma und Opa gibt es Zuckertüten, große und kleine, gefüllt mit allerlei Leckereien, Buntstiften, Spitzern, Federkästchen und Füllfederhaltern. Stolz sitzen die Kinder das erste Mal an ihrem Tisch im großen Klassenzimmer und lauschen gespannt den Worten ihrer Klassenlehrerin oder ihres Klassenlehrers. Anschließend geht es zur Feier mit der Familie bei Kaffee und Kuchen und vielen weiteren tollen Geschenken. In Frankreich sieht es ganz anders aus: Jedes neue Schuljahr bedeutet einen wichtigen Schritt, doch dazu später mehr.

Die deutsche Tradition der Schultüten reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück

Diese vornehmlich aus Ost-/Mitteldeutschland stammende Tradition geht auf den Beginn des 19. Jahrhunderts zurück. Erste gesicherte Nachweise existieren für Jena (1817), Dresden (1820) und Leipzig (1836). Damals wie heute erzählte man den Kindern, dass im Haus des Lehrers bzw. in der Schule ein Schultüten- oder Zuckertütenbaum wüchse. Sobald die Tüten groß genug seien, wäre es für die Kinder Zeit, die Schule zu besuchen. Wahrscheinlich hat sich deshalb der Brauch gehalten, den jüngeren Geschwistern kleinere Zuckertüten zu schenken. Ihre sind eben noch nicht groß genug gewachsen. In Ostdeutschland verwendet man häufiger den Begriff „Zuckertüte“, zurückzuführen auf seinen süßen Inhalt. In anderen Regionen spricht man meist von „Schultüten“.
Schultuete
Damals überreichten die Taufpaten den Kindern die Schultüte, heute wird dies zumeist von den Eltern des Schulanfängers übernommen. Die Tüten waren damals selbst gebastelt. Ab Anfang des 20. Jahrhunderts weitete sich dieser Brauch in anderen Regionen Deutschlands aus. Heutzutage gibt es eine Fülle an buntbedruckten Zuckertüten mit Disney-Stars, Märchenfiguren und Zeichentrick-Persönlichkeiten. In der damaligen DDR hatten sich die sechseckigen Zuckertüten mit einer Länge von 85 cm etabliert. In der BR Deutschland dagegen verwendete man weiterhin die runden Schultüten mit einer Länge von 70 cm.

Ein kurzer Einblick ins französische Schulsystem

In Frankreich kommen die Kinder, streng gesehen, bereits mit drei Jahren in die Schule, die sogenannte Ecole maternelle. Diese Vorschule zwischen dem 3. und dem 6. Lebensjahr ist freiwillig. In ihrer Form erinnert sie jedoch ein wenig an eine Grundschule. Es gibt einen Stundenplan und Unterrichtsfächer. Die Kinder lernen die Buchstaben und Zahlen kennen, sie malen, basteln und spielen. Im Gegensatz zu Deutschland wird dabei weniger die Kreativität und individuelle Entwicklung der Kinder gefördert, sondern vielmehr Disziplin und Regelverständnis. So kommen die Jungen und Mädchen später leichter in der Schule klar.

Vom 6. bis zum 11. Lebensjahr besuchen die Schüler die Grundschule, die Ecole primaire. Dann geht es für vier Jahre aufs Collège bis zum Abschluss der 9. Klasse. Zwischen 16 und 18 Jahren, also bis zur 12. Klasse, besucht ein Großteil der Jugendlichen das Lycée, das Gymnasium. Es ist entweder allgemein oder fachspezifisch ausgerichtet. In Frankreich schließen viel mehr junge Leute ihre schulische Laufbahn mit dem Abitur ab. Im Jahr 2014 waren es 77,3 Prozent einer Generation, die das Baccalauréat bestanden haben; in Deutschland waren es lediglich 51 Prozent.

Ein großer Unterschied zum deutschen System besteht auch darin, dass die Kleinsten frühzeitig daran gewöhnt sind, ganztägig betreut zu werden. Sowohl die 3-jährigen als auch die größeren Schulkinder kommen morgens gegen 8:30 Uhr zur Schule und verlassen sie meist erst wieder gegen 16:30 Uhr oder noch später.

In Frankreich ist jeder erste Schultag wichtig

Doch wie läuft der erste Schultag in Frankreich nun ab? Nach den langen Sommerferien beginnt das neue Schuljahr am 1. September. Fällt dieser Tag auf einen Freitag oder aufs Wochenende, fängt die Schule am darauffolgenden Montag an. Es ist eine Tradition, dass die Eltern ihre Kinder an diesem Tag morgens zur Schule bringen. Besonders wichtig wird dieser Tag, wenn das Kind seinen ersten Tag in der Ecole maternelle, der Ecole primaire oder im Collège hat. Vonseiten des Arbeitgebers werden Mama und/oder Papa in einigen Fällen dafür sogar freigestellt.

Rentree

Schon Wochen zuvor werben Modegeschäfte, Schreibwarenläden und Supermärkte mit den neuesten Produkten für die Rentrée des classes. Ein neues Outfit ist fast schon ein Muss. Es müssen Hefte, Ordner, Stifte und Malfarben gekauft werden. Teilweise gibt es von Lehrern rigide Vorgaben, welche Schreibwaren welcher Marke und in welcher Größe verwendet werden sollen. Das kann für die Eltern ganz schön anstrengend werden. Wenn sie über ein geringes Einkommen verfügen, können sie von staatlicher Seite eine finanzielle Förderung erhalten. Diese Prime de rentrée scolaire beläuft sich pro Kind auf bis zu 396 Euro.

Die Kinder selbst gehen mit Aufregung, Spannung und vielleicht auch ein wenig Angst an ihren ersten Schultag heran. In dieser Hinsicht sind sich die Kinder in Frankreich und Deutschland sicher ähnlich. Sie sind nervös und aufgeregt: Wie wird die neue Klasse sein? Und der neue Klassenlehrer oder die Klassenlehrerin? Und wie wird der Stundenplan aussehen? Und sie freuen sich natürlich auch, ihre alten Freunde nach den langen Sommerferien wiederzusehen.

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