Französische Pâtisserie – ein ewigliches Vergnügen

„Das Vergnügen, das ein sehr gutes süßes Teilchen bereitet, hält ewig an.“ So hat es Christophe Felder ausgedrückt, einer der großen Pâtissiers in Frankreich. Doch wie ist diese weltweite Begeisterung für die süßen Teilchen entstanden? In Deutschland kennen wir Croissants als typisch französische Spezialität. Aber dieses Gebäck aus Blätterteig zeigt nur einen winzig kleinen Teil der Fähigkeiten großer Konditoren. Raffinierte Desserts und Kuchen mit Namen wie Opéra, Royal, Millefeuille und Macaron verzaubern jeden Gaumen.

Ein süßer Blick in die Vergangenheit

Im Mittelalter existierten nur einige wenige Rezepte für süße Speisen. Besonders beliebt waren zu dieser Zeit feine Waffeln, die von den sogenannten „Oubloyers“ entweder gefüllt oder gerollt zu kirchlichen und weltlichen Feiern feilgeboten wurden. In der Renaissance begann ein Wettkampf der sozialen Eliten um die schönsten Figuren aus Zucker. Die ersten Kolonien waren erobert – der braune Zucker drängte nach Europa. Nun standen Marzipan, edle Konfitüren, Windbeutel und Baisers auf dem Speiseplan der Fürsten- und Königshäuser Europas.

Neue Inspirationen im 17. Jahrhundert

Mit der Veröffentlichung der Rezeptsammlung des „Pasticier François“ begann eine neue Ära in der französischen Konditorkunst. Butter wurde zum privilegierten Fett- und Geschmacksträger in Desserts erhoben. Obwohl jede junge Frau aus gutem Hause seit Mitte des 17. Jahrhunderts die Kunst der Pâtisserie lernte, blieben die Süßspeisen zumeist elitären Kreisen vorbehalten. Neue Spezialitäten wie Kaffee und Kakao fanden schnell Einzug in die neue Kunst und ließen die Konditoren vor Ideen nur so sprühen.

Die Patîssiers verlieren ihre Jobs – was nun?

Als mit der französischen Revolution 1789 die Monarchie abgeschafft wurde, verloren viele Köche und Konditoren ihre Anstellungen in den adligen Häusern. Sie zögerten jedoch nicht lange und begannen ihr eigenes Geschäft aufzubauen. Sie eröffneten Restaurants und Pâtisserien und gewannen damit nach und nach eine neue Kundschaft: das Bürgertum.

Die Empfänge des Directoires – die letzte Regierung der französischen Revolution zwischen 1795 und 1799 – sowie des Kaisers ließen die besten Konditoren des Landes zu Künstlern werden. Sie entwarfen monumentale antike Tempel oder militärische Trophäen aus Zucker in seinen unterschiedlichsten Formen: aus Karamell, Zuckerfäden und Dragees. Antonin Carême, der größte Meister seines Faches im 19. Jahrhundert, krönte seine Kunstwerke sogar mit wohlriechenden Feuerwerken.

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Zeit für ein süßes Picknick

Das Picknick, das mit den Impressionisten Einzug in Frankreich gehalten hatte, förderte den Verkauf von „Reisekuchen“ und „Törtchen zum Mitnehmen“. Paris war zwischen 1852 und 1870 eine einzige riesige Baustelle. Der Präfekt Napoleons III. mit Namen Haussmann ließ die gesamte Hauptstadt umgestalten: Es entstanden neue breite Boulevards und Grünanlagen. Die Kanalisation wurde modernisiert und viele neue Gebäude, beispielsweise die Opéra Garnier, wurden errichtet.

Sobald die Pariser ein wenig Freizeit hatten, verließen sie die dreckige Stadt und zogen sich in die umliegenden Wälder in St. Germain en Laye, Boulogne oder Vincennes zurück. Die süßen Teilchen sowie Pasteten waren für diese nachmittäglichen Ausflüge besonders geeignet.

Zucker für alle Bevölkerungsschichten

Um 1873 hatte sich die professionelle Konditorkunst als wichtige Komponente der französischen Essenskultur etabliert. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als der Zucker langsam günstiger wurde, konnten sich auch die ärmeren Schichten ab und zu ein süßes Teilchen gönnen.

Dank erfinderischer Handwerker entstanden immer mehr Maschinen und Backformen, die das Leben der Konditoren vereinfachten. Die Lehrlinge mussten nicht länger 100 Eier pro Tag mit der Hand schlagen oder 30 kg Teig mit den Händen kneten. Die Industrialisierung und Elektrisierung hielt auch im Konditoreihandwerk Einzug.

Parallel dazu begannen die Hausfrauen, ihre Brote durch Zutaten wie Eier, Früchte und Zucker zu verfeinern. Wie in Deutschland brachten sie den Teig zum Bäcker und ließen ihn dort im großen Ofen backen. In Punkto Raffinesse konnten diese Kuchen nicht mit den Kunstwerken der Pâtissiers mithalten, aber sie überzeugten durch ihre rustikale Herstellung und den unverwechselbaren Geschmack.

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Der Weg zur Perfektion

Mit den neuen technischen Errungenschaften entdeckten die Konditoren unzählige weitere Möglichkeiten, ihr Handwerk zu verbessern und neue süße Teilchen zu kreieren. Ab etwa 1920 erweiterten sie ihr Angebot um edle Schokoladenpralinen und -tafeln. Als Zutaten dienten ausgesuchte, erstklassige Kakaosorten aus Elfenbeinküste, Indonesien und der Karibik. Einige ihrer Kreationen bestäubten sie sogar mit Blattgold.

Ihre Kunst war international bekannt. Viele Konditoren machten im Ausland Karriere und die in Frankreich entwickelten Maschinen und Werkzeuge wurden weltweit exportiert.

Höchste Konditorkunst

In der französischen Pâtisserie vereinen sich höchste Konditorkunst, die Auswahl erlesener Zutaten und ein Bestreben nach Raffinesse und intensivem Geschmack. Wenn Sie diese Kunst selbst einmal erleben wollen, empfehle ich Ihnen, einen der Pariser Pâtissiers zu besuchen. Genießen Sie eine kleine Köstlichkeit bei La Durée oder Dalloyau oder kaufen Sie in einer der Boutiquen von Lenôtre, Pierre Hermé oder Frédéric Cassel ein.

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